Vier Changefehler zum Vermeiden

 

Wenn neue Organisationskonzepte in der Praxis scheitern, heißt es oft, sie seien nicht konsequent genug umgesetzt worden. Dabei führt ausgerechnet die Idee, eine neue Organisationsform in aller Konsequenz als Gegenmodell zum Bisherigen umsetzen zu müssen, zu schwerwiegenden Fehlern im Umgang mit Change.

 

1. Organisationstrivialisierung

 

Man trifft immer wieder auf die Vorstellung, eine Organisationsform lasse sich im Sinne eines kompletten Betriebssystemwechsels austauschen. Wer aber so denkt, trivialisiert den Umstand, dass es sich bei Unternehmen um gewachsene soziale Gebilde handelt, die sich nicht maschinengleich umbauen lassen. Die Steuerungslogiken von Konzernen mögen Probleme aufwerfen, zugleich aber sichern sie das Überleben dieser Organisationen.

 

Ein (aus dem Kontext anderer, meist kleinerer Organisationen übernommenes) neues Konzept der Organisationsgestaltung kann diese gewachsenen Strukturen und Prozesse nicht eins zu eins ersetzen. Ziele wie Selbstorganisation, Demokratisierung und Sinnerfüllung sind zwar begrüßenswert. Aber: Sie bilden nur einen Teil dessen ab, was eine Organisation zur Sicherung ihrer Überlebensfähigkeit braucht. Schon deshalb können sie das Bestehende nicht einfach ersetzen. Wohl aber können sie – gerade mit ihrem Fokus auf Flexibilisierung und Kundeninteressen – wichtige Beiträge zu dessen Weiterentwicklung leisten. Die Voraussetzung dafür ist aber, dass einem klar ist, dass Bewährtes und Neues koexistieren (müssen) und dass daraus Widersprüche entstehen, die man nicht negieren darf, sondern die man reflektieren und bearbeiten muss.

 

2. Führungsvergessenheit

 

Das Phänomen der Führungsvergessenheit hängt eng mit dem der Organisationstrivialisierung zusammen. Glaubt man, ein organisationales Betriebssystem lasse sich einfach so gegen ein neues austauschen, stehen die Führungskräfte automatisch zwischen alter und neuer Organisationslogik. Sie bleiben zur Hälfte in der alten hierarchischen Verantwortung und müssen in der neuen Welt zugleich erleben, dass ihre Macht mit der Implementierung von New Organizing erodiert.

 

Da in vielen neueren Organisationsansätzen stark auf Selbstorganisation gesetzt wird, werden relevante Führungsfunktionen „vergessen“. Hierarchie und Positionsmacht werden sogar häufig tabuisiert. Die Konflikte, die sich daraus ergeben, werden nicht organisationsseitig reflektiert und bearbeitet, sondern beim Einzelnen belassen. Somit haben die Führungskräfte den Preis zweier Organisationslogiken, die aufeinandertreffen, zu zahlen. 

 

Daraus erklärt sich auch, dass sich so viele Führungskräfte gegen Change wehren, ja regelrecht stemmen. Das tun sie nicht unbedingt offen, was die Sache noch schwieriger macht, sondern im Rahmen firmeninterner Politik. Ohne ein tiefes, rollensystemisches Coaching im 1:1 Setting, das Silo- und Container übergreifend erfolgt, verliert der Change Prozess insgesamt. 

 

3. Teamentkoppelung

 

Es ist beeindruckend, wie viele Initiativen auf Team- und Projektebene in Großorganisationen gestartet werden. Das ist auch nicht verwunderlich. Denn Netzwerke, Teams und Projekte sind soziale Orte, die vom Typus her im Vergleich zu Organisationen für Dynamik, Flexibilität und Innovation zugänglicher sind. Hier besteht der größte „natürliche Fit“ vieler New-Organizing- Ansätze, die ursprünglich oft aus der Projektarbeit stammen.

 

Dies hat allerdings auch Schattenseiten: Viele solcher kleinen Initiativen starten zwar hoch motiviert und erzielen tatsächlich eindrucksvolle Ergebnisse. Organisationsweit wirksam wird dies aber nicht. Denn oft werden in neuen Organisationsansätzen Teams und Teamarbeit als Gegenmodell zur Organisation gedacht – und genau deshalb geraten in größeren Unternehmen existenziell wichtige Fragen der Koppelung von Team- und Organisationslogiken aus dem Blick, bleiben Verknüpfungsfragen unbeantwortet. Deshalb kommt es in vielen Firmen, trotz punktueller New-Organizing-Erfolge, zu einem Bild der Zerrissenheit.

 

4. Beratungsvergessenheit

 

Dass man sich in Unternehmen aufs eigenständige Experimentieren verlegt, statt eine große Unternehmensberatung mit einem Changeauftrag zu engagieren, ist ein typisches Merkmal des Wandels in Richtung New Organizing. Die Sache selbst in die Hand zu nehmen, wenn man nach mehr Selbstbestimmung strebt, ist auch nur logisch. Allerdings werden auch interne Beratungsfunktionen in den Betrieben oft nur in einer dienenden Funktion tätig, etwa in der Vermittlung von Agile Coachs oder der Moderation von Konflikten, doch sie koordinieren die intern fragmentierten Umbauprozesse kaum. Um die eigene Relevanz als Expertinnen und Experten für das Neue glaubwürdig unter Beweis stellen zu können, unterziehen sich auch die internen HR- und Beratungseinheiten radikalen Transformationen. Dabei wird viel Energie auf Binnenfragen gerichtet, aber wenig beraten.

 

Mit Blick auf die Organisationstrivialisierung, die Führungstabuisierung und die Team- Organisationsentkoppelung ist es allerdings fraglich, ob Unternehmen gut damit fahren, wenn sie sich ausschließlich darauf verlassen, dass ihre Untereinheiten sich bei ihren New- Organizing-Aktivitäten quasi selbst „beraten“. Vielmehr sollten sie Orte und Formen etablieren, um das Gesamtbild ihrer Veränderungsprozesse auf den Schirm bekommen – und um den sich wandelnden und experimentierend vorantastenden Einheiten Denkanstöße und Impulse von außen liefern zu können.

 

 

Photo by Nick Fewings on Unsplash

 

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