Psychologische Sicherheit: Ein TEST

 

Diversity braucht Rahmenbedingungen, unter denen sie positive Wirkungen zeigt

 

Sehr oft wird Diversity als Antwort auf die unternehmerischen Hausforderungen der Zukunft gepriesen. Doch sind heterogene Teams tatsächlich effektiver? Oder überwiegen sogar die Schattenseiten in Form von erhöhtem Konfliktpotential? Über die tatsächlichen Effekte gibt es in der Literatur widersprüchliche Befunde.

 

Bereits Ende der 90er-Jahre fassten Williams und O’Reilly 40 Jahre Diversitätsforschung wie folgt zusammen: Man kann nichts Genaues sagen, weil einzelne Studien sowohl positive, negative als auch keine Effekte von Diversität zeigten. Auch neuere Forschungen zeigen kein einheitliches Bild. Positive Schlagzeilen senden meist internationale Unternehmensberatungen. Bei deren Studien wird in der Regel die Korrelation zwischen einem vielfältigen Top-Management und finanzieller Leistungsindikatoren untersucht. Laut McKinsey (2018) haben beispielsweise Unternehmen, die sich durch einen hohen Grad an Diversität im Top-Management auszeichnen, eine bis zu 21% größere Wahrscheinlichkeit, überdurchschnittlich profitabel zu sein.

 

Warum sind nun einige diverse Teams bzw. einige vielfältig geführte Unternehmen erfolgreich und andere nicht? Wir sind überzeugt: Es braucht gewisse Rahmenbedingungen, unter denen Diversity positive Wirkungen zeigt. Mittlerweise gibt es viele Hinweise darauf, dass psychologische Sicherheit der wesentliche Moderator ist.

 

Psychologische Sicherheit – Definition und Forschung

 

Das Konzept psychologische Sicherheit wurde 1999 von der Harvard-Professorin Amy Edmondson begründet und seitdem in unterschiedlichen Forschungen (bspw. zu Innovationen, Agilität und Diversity) aufgegriffen und bestätigt. Hinter dem Begriff steht die gemeinsame Überzeugung aller Mitglieder eines Teams, dass die Sicherheit innerhalb der Gruppe gegeben ist, zwischenmenschliche Risiken einzugehen (Edmondson, 1999). Es gilt das Credo: Alle müssen sich gehört fühlen.

 

Weltweit bekannt wurde das Konzept erst 2016 durch das Forschungsprojekt „Aristoteles“ von Google. Für diese Studie wurden mehr als 180 Teams im Unternehmen untersucht, um das Geheimnis von Hochleistungsteams zu lüften. Das Ergebnis war überraschend. Nicht die Teamzusammensetzung, die Diversität oder die Intelligenz der Mitglieder waren entscheidend, sondern die Art und Weise, wie sie miteinander umgingen. Ähnliche Ergebnisse zeigten sozialpsychologische Laborexperimente zur kollektiven Intelligenz (CI) auf der MIT – Massachusetts Institute of Technology (Wooley et al, 2010) zuvor. In diesen Studien korrelierten zwei Indikatoren mit CI und wurden von Google anscheinend für die eigenen Analysen eingesetzt. Der erste Indikator ist die Erfassung des Redeanteils bei der Arbeit im Team. Der zweite Indikator ist das Ergebnis beim „Reading the Mind in the Eyes“-Test, mit dem die soziale Empathie gemessen wurde.

 

Auch in den zuvor genannten Diversity-Publikationen der internationalen Beratungsunternehmen findet sich der Begriff neuerdings häufig wieder. Deloitte (2016) definieren beispielsweise die Herstellung von psychologischer Sicherheit als wesentliche Aufgabe von Führungskräften, damit Diversity effektiv genutzt werden kann. Catalyst (2015) widmen dem Konzept sogar eine eigene Studie und fassen wie folgt zusammen: Psychologische Sicherheit ist der Schlüssel zu Inclusion und Innovation.

 

Bestimmte Elemente des agilen Arbeitens können, auch wenn bei der Umsetzung keine Fehler gemacht wurden, zu erheblichen Belastungen der beteiligten Teams und Personen beitragen. Vor allem die Kleinteiligkeit der Arbeit und die sehr weitreichende Besprechbarkeit von Verhalten, Gefühlen und Meinungen können zu Stress und sozialem Druck führen. In der Folge kann wiederum das agile Arbeiten leiden, weil Teams sich nicht mehr optimal absprechen oder auf gemeinsame Lernprozesse einlassen. 

 

Das Schlüsselwort, wenn es um geeignete Maßnahmen gegen die dunklen Seiten der Agilität geht, lautet psychologische Sicherheit. Die ist nach Amy Edmondson die Voraussetzung für gute (agile) Teamarbeit. Um herauszufinden, wie es um die psychologische Sicherheit in einer Organisation oder einem Team bestellt ist, empfiehlt Edmondson eine strukturierte Selbsteinschätzung, bei der man den folgenden fünf Aussagen einen Wert von 1 (= trifft gar nicht zu) bis 5 (= trifft voll und ganz zu) zuordnet:

  • In unserem Unternehmen ist es leicht, die eigenen Gedanken auszusprechen.
  • Wenn man Fehler macht, wird es nicht gegen einen verwendet.
  • Mitarbeitende können in unserem Unternehmen gut über Probleme und Meinungsverschiedenheiten reden.
  • Mitarbeitende in unserem Unternehmen wollen Informationen darüber teilen, was erfolgreich ist und was gar nicht funktioniert.
  • In unserem Unternehmen ist es immer die beste Strategie, wenn man die Karten offen auf den Tisch legt.

Nach Edmondson ist erst dann eine hohe psychologische Sicherheit gegeben, wenn der Summenwert mindestens 22 Punkte beträgt.

 

 

Photo by krakenimages on Unsplash

 

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