Ist die Rede von Agilität, verdrehen viele bereits die Augen – und das zu Recht. Da das Wort etwas Leichtes, Modernes suggeriert, wird es inflationär und teilweise unreflektiert genutzt, insbesondere für die Vermarktung von Bildungsangeboten. Plötzlich bekommt alles das Etikett „agil“ aufgedrückt, ohne dass man sich damit auseinandersetzt, was genau die Agilität des Lernens eigentlich ausmacht – und wann es überhaupt sinnvoll ist, agil zu lernen. An dieser Differenzierungsfähigkeit fehlt es vielfach noch.
Beim agilen Arbeiten sieht das anders aus. Das agile Arbeiten hat – als zeitgemäße Form, Projekte zu gestalten – nach 30 Jahren Einsatz im Softwarebereich einen gewissen Reifegrad erreicht. Auf Basis der Erfahrungen damit können wir heute die jeweiligen Vor- und Nachteile agiler und traditioneller Arbeitsweisen klar benennen. Wir können differenzieren, wann wir agile Arbeitsweisen brauchen – und wann nicht. In der Softwareentwicklung, bei der häufig am Anfang nicht eindeutig ist, wie das Endprodukt aussehen wird und wie sich die Ansprüche an das Produkt im Laufe der Zeit verändern werden, ist agiles Arbeiten sehr sinnvoll. Aber niemand wünscht sich agile Arbeitsweisen im Cockpit während eines normalen Fluges.
Lernen findet heute in zwei Welten statt
Beim agilen Lernen kommt es ebenfalls auf diese Differenzierungsfähigkeit an. Es hat gar nicht den Anspruch, klassisches Lernen zu ersetzen, weil es auch weiterhin Situationen geben wird, in denen es sich anbietet, auf traditionelle Art zu lernen. Situationen, die stabil und eindeutig sind und in denen die Wege planbar sind. Hier ist es weiterhin sinnvoll, wenn jemand mit klarem Wissensvorsprung sein oder ihr Wissen beziehungsweise seine oder ihre Erfahrungen an Lernende weitergibt, auch Lernziele festlegt, das didaktische Vorgehen plant, den Fokus auf vordefinierte Inhalte legt. Für die Lernenden wird das Lernen dadurch effizient. Legt man die „Cognitive Load Theory“ (die Theorie der kognitiven Belastung beim Lernen) nach John Sweller und Paul Chandler zugrunde, so können die Lernenden alle geistigen Kapazitäten auf die Inhalte fokussieren – und brauchen kaum Kapazitäten für den Prozess.
Allerdings ist unsere Arbeitswelt mittlerweile durch eine Dualität geprägt, die sich auf verschiedenen Ebenen zeigt. Neben bekannten, geordneten Situationen stehen immer mehr ungeordnete, komplexe bis chaotische. Dies verlangt uns ab, nach unterschiedlichen Logiken zu denken und zu handeln, sei es im Kontext der täglichen Arbeit, der Innovation – oder eben auch des Lernens. In den komplexen, chaotischen Kontexten kommen wir mit traditionellen Arbeitsweisen nicht mehr voran – und daher auch nicht mit traditionellen Lernformen zum Erfolg.
Wir müssen ins Ungewisse gehen, durch Experimentieren neues Wissen und neue Kompetenzen generieren. Solche Situationen erfordern ein kontinuierliches Lernen im Arbeitsprozess selbst, vor allem durch das agile Team: Es muss sich iterativ neues Wissen und neue Kompetenzen erschließen. Nicht nur die Inhalte des Lernens, auch die Ziele sind dabei zunächst unbekannt, häufig existiert anfangs nur eine vage Vision, ein „Nordstern“. Bei diesem inhaltsoffenen Lernen kann niemand „die Expertise“ haben und als Lehrender oder Lehrende einspringen. Vielmehr werden alle Beteiligten zu Prosumenten, also gleichzeitig Produzenten und Konsumenten des Lernens. Denn alle sind gefordert, alles, was nützlich sein könnte (Kompetenzen, Erfahrungen, individuelle Werte, Vorgehensweisen ...), einzubringen.
Agiles Lernen ist nicht Lernen 4.0 oder New Learning
Differenzierungsfähigkeit im Hinblick auf den Kontext, in dem Lernen heute stattfindet, ist eine Sache, die im Hype um agiles Lernen bislang oft zu kurz kommt, Schärfe in Bezug auf die Anwendung des Begriffes „agiles Lernen“ eine andere. Tatsächlich kursieren mehrere, ebenfalls sehr marketingträchtige Begriffe, die kurzerhand mit dem agilen Lernen gleichgesetzt werden. Vor allem „Lernen 4.0“ und „New Learning“ werden benutzt, als seien sie Äquivalente agilen Lernens.
Dies ist allerdings fatal, denn der undifferenzierte Sprachgebrauch führt zu einer Willkür der Begriffswahl, die Folgen hat. Die Begriffe „4.0“ „New“ und „Agil“ sind in der Arbeitswelt deutlich etablierter und abgegrenzter als in der Lernwelt. Demzufolge assoziieren Lernende damit ganz bestimmte Erwartungen – die dann im Lernkontext womöglich aber gar nicht erfüllt werden. Außerdem gilt: Wenn wir uns über die Bedeutung von Begriffen nicht einig sind, müssen wir jedes Gespräch über agiles Lernen mit der Erläuterung unseres individuellen Begriffsverständnisses starten, das macht jede Debatte aufwendig, zeitraubend und anstrengend.
Zur Professionalisierung und zum professionellen Auftreten von Learning & Development trägt das Begriffswirrwarr ebenfalls nicht bei. Gründe genug also, Wert auf eine differenzierte Abgrenzung zu legen:
- Lernen 4.0 basiert – analog zur Industrie 4.0 – auf der digitalen und technologischen Vernetzung und dem Grundgedanken der Effizienzsteigerung. Im Fokus steht die zeitnahe Befähigung zur anforderungsgerechten individuellen Performance. Die Lernenden werden dabei durch ein smartes Lernumfeld (zum Beispiel durch Sensoren, Bots und Avatare) unterstützt. Kollaboration zwischen Mensch und Maschine, Augmented Reality und KI-gestützte Assistenzsysteme sowie Individualisierung prägen das Lernen 4.0. Kurz gesagt, es fokussiert – mit dem Ziel der Effizienz – die digitale Unterstützung der Lernenden beziehungsweise deren Einbindung in eine cyberphysische Lernumgebung.
- New Learning basiert auf dem NewWork-Konzept des Sozialphilosophen Frithjof Bergmann und hat die Selbst- und Potenzialentfaltung des Individuums zum Ziel. New Learning bezeichnet Lernen, das vom Lernenden als sinnhaft erlebt wird und die Teilhabe an der Gemeinschaft ermöglicht. Die Lernprozesse sind geprägt von Selbstbestimmung, Autonomie und dem Streben nach Wirksamkeit. Dabei gilt, dass die Lernenden ein hohes Maß an Selbstverantwortung und die Zugehörigkeit zur (Lern-) Gemeinschaft erleben. Die Definition zielt also – im Gegensatz zu Lernen 4.0 – sehr stark auf die sozialen Aspekte des Lernens und die Selbstverwirklichung des einzelnen Lerners, der einzelnen Lernerin in seinem beziehungsweise ihrem sozialen Kontext ab. Auch das Ausleben der individuellen Stärken spielt eine wichtige Rolle.
- Agiles Lernen leitet sich dagegen direkt vom agilen Arbeiten ab und zielt darauf, die lebenslange Anpassungs- und Innovationsfähigkeit von Mensch und Organisation zu gewährleisten. Agiles Arbeiten impliziert also die schnelle und erfolgreiche Anpassung an eine sich ändernde Umwelt, deren Weiterentwicklung nicht antizipiert werden kann. Dies bringt die Erfordernis mit sich, dass schnell und vor allem dynamisch gelernt werden muss.
Agiles Lernen folgt agilen Werten
Agiles Lernen setzt Werte voraus, die den Werten entsprechen, die 17 Softwareentwickler im Jahr 2001 in ihrem berühmt gewordenen Agilen Manifest definiert haben. Laut Agilem Manifest sind Individuen und deren Interaktionen wichtiger als Prozesse und Werkzeuge. Übertragen auf das Lernen bedeutet dies: (Individuelle) Lernbedarfe und Interaktionen sind wichtiger als Prozesse und Werkzeuge. Das heißt, Lernen muss konsequent vom jeweiligen Bedarf aus gedacht werden – statt sich beispielsweise in Genehmigungsprozessen zu verlieren.
Funktionierende Software ist laut Agilem Manifest wichtiger als umfassende Dokumentation. In der Übertragung auf das Lernen heißt dies, Lernen so zu gestalten, dass es wertschöpfend ist, anstatt mit Zertifikaten und Zeugnissen die Teilnahme zu quittieren.
Heißt es im Agilen Manifest, die Zusammenarbeit mit dem Kunden ist wichtiger, als es Vertragsverhandlungen sind, so bedeutet dies, übertragen auf das Lernen: Es ist wichtiger, die Lernenden im Prozess zu begleiten und nach Bedarf zu unterstützen, als auf vorab vereinbarten Methoden und Modellen zu beharren.
Der Wert „Veränderung ist wichtiger als das Befolgen eines Plans“ aus dem Agilen Manifest wiederum lässt sich ebenfalls nahezu eins zu eins auf agiles Lernen übertragen, denn: Auch beim agilen Lernen spielt es eine besondere Rolle, dieses an sich ändernde Bedarfe anpassen zu können, was besonders bei längeren Führungskräfte-Entwicklungsprogrammen wichtig ist.
Analog zur agilen Softwareentwicklung gilt auch für das agile Lernen: Der Fokus liegt zwar besonders auf den Werten, die „wichtiger“ genannt werden, doch der andere Teil (Pläne entwerfen, Erreichen von Zertifikaten, Modelle und Methoden, Prozesse und Werkzeuge) ist deswegen nicht obsolet. Gleichwohl zeigen die „wichtigeren“ Werte an, dass ...
- beim agilen Lernen der Fokus eindeutig auf der Wirksamkeit des Lernens, also dem Outcome, dem Business Impact liegt und nicht auf dem Input oder Output im Sinne von Weiterbildungstagen, Klickquoten für E-Learnings und Zertifikaten.
- beim agilen Lernen angenommen wird, dass Lernprozesse selten linear ablaufen und eine flexible Reaktionsfähigkeit (auch seitens der Personalentwicklung) daher notwendige Voraussetzung ist, um diese Art des Lernens zu begleiten.
Selbstgesteuertes und entdeckendes Lernen sind Vorläufer agilen Lernens
Agiles Lernen ist also nicht mit Lernen 4.0 oder New Learning gleichzusetzen, sondern folgt eigenen Zielen und Werten. Was aber ist mit zwei weiteren Begriffen, die im allgemeinen Sprachgebrauch häufig mit dem agilen Lernen gleichgesetzt werden – manchmal gar mit dem Hinweis, so neu sei das agile Lernen überhaupt nicht?
Die Rede ist vom selbstgesteuerten und vom entdeckenden Lernen – Lernkonzepten also, die es tatsächlich schon recht lange gibt.
Selbstgesteuertes Lernen bezieht sich auf den Freiheitsgrad, den Lernende in Bezug etwa auf die Lernziele, die Lernmaterialien und den Lernprozess haben. Nach dem Psychologen Franz Emanuel Weinert (1982) „kann der Handelnde die wesentlichen Entscheidungen, ob, was, wann, wie und woraufhin er lernt, gravierend und folgenreich beeinflussen“ (zitiert nach lexikon.stangl.eu/2053/selbstgesteuertes-lernen). Dabei wird Fremdversus Selbststeuerung als Kontinuum angesehen. In der Tat ist Selbststeuerung ein wesentliches Merkmal auch des agilen Lernens, ja sogar dessen zwingende Voraussetzung, da es dafür (meistens im Team) einer hohen Entscheidungskompetenz bedarf. Aber: Selbstgesteuertes Lernen ist nicht mit agilem Lernen in einem engeren Sinn gleichzusetzen, weil es auch in klassischen Lernkontexten seinen Platz haben kann. Auch dort können Lernende häufig selbst darüber entscheiden, mit welchen bereitgestellten Lehrmaterialien sie auf welche Weise ihre Lernziele verfolgen.
Nur stehen diese Ziele eben von vornherein fest. Und es handelt sich außerdem primär um individuelle Selbststeuerung und nicht die Selbststeuerung von beispielsweise Teamprozessen. Denn beim traditionellen selbstgesteuerten Lernen ist die Komplexität der Lernsituation in der Regel noch so beherrschbar, dass sie individuell bewältigt werden kann.
Entdeckendes Lernen ist nach dem Entwickler dieses Modells, dem Psychologen Jerome Bruner, „die selbstlernende (autodidaktische) Erschließung eines Wissensgebietes, wobei der Lehrer nur eine beobachtende und helfende Funktion hat. Entdeckendes Lernen steuert der Lernende somit selbst“ (zitiert nach lexikon. stangl.eu/12075/entdeckendes-lernen). Es ist also ursprünglich eine Unterrichtskonzeption, in der Gesetzmäßigkeiten, die dem Lehrer, der Lehrerin bekannt sind, durch die Lernenden dennoch selbst erforscht werden. Wissen wird
demnach nicht vom Lehrer strukturiert und präsentiert, sondern muss von den Lernenden erarbeitet werden. Etwa, indem sie nach Gemeinsamkeiten zwischen Neuem und Bekanntem suchen, Erklärungen übertragen und Regeln erweitern (Transfer). Dabei soll die Problemlösefähigkeit der Lernenden gefördert werden.
Genau wie das selbstgesteuerte Lernen ist entdeckendes Lernen nicht mit agilem Lernen gleichzusetzen, weil die Methodik eben auch Teil klassischer Lernkonzepte sein kann. Freilich bricht sie bereits mit der Konsumentenhaltung der Lernenden. Sie flacht die Hierarchie zwischen Lehrenden und Lernenden ab. Und sie fördert iteratives, reflexives Lernen. Beides – sowohl das selbstgesteuerte Lernen wie auch das entdeckende, iterative, reflexive Lernen – sind daher fundamentale Kompetenzen, die innerhalb des agilen Lernens eine große Rolle spielen.
4 Spielarten: Agiles Lernen ist mal mehr, mal weniger umfassend agil
Allerdings kennt agiles Lernen in der derzeitigen Praxis durchaus Lesarten, die eben doch noch sehr dicht dran sind am klassischen selbstgesteuerten und entdeckenden Lernen. Schauen wir in die Unternehmen, dann begegnen wir dort aktuell vier verschiedenen agilen Lernformen – oder auch: Spielarten agilen Lernens –, die sich anhand ihrer unterschiedlichen Konstellationen von Lernzielen und Zielgruppen unterscheiden lassen:
- In Konstellation 1 ... lernen Individuen auf vorgegebene Ziele hin. Dabei aber werden sie nicht mehr wie früher von einem Trainer, einer Trainerin oder einer Person mit Fachexpertise durchgehend an die Hand genommen. Vielmehr steht ihnen eine Lernbegleitung zur Seite, die sich aus einem agilen Methodenkoffer bedient. Sie stellt beispielsweise Content bereit und sorgt dafür, dass die Teilnehmenden ihre feststehenden Lernziele mittels agilisierter Lernprozesse erreichen, etwa in Sprints mit Retrospektiven, einschließlich der anfänglichen Klärung von Sprintzielen.
- In Konstellation 2 ... lernen Individuen in einer Situation, in der es keine vorgegebenen Lernziele geben kann, höchstens eine Vision (zum Beispiel „Ich möchte Green L&D in meiner Organisation repräsentieren“). Hier sprechen wir von agilem Lernen im engeren Sinne. Aus der Begleitung wird hier ein Lerncoaching, das die Lernenden methodisch unterstützt und ihnen hilft, das Lernen in komplexen und chaotischen Situationen zu erlernen.
- In Konstellation 3 ... soll ein Team (oder die gesamte Organisation) vorgegebene Lernziele auf agilem Weg erreichen. Äquivalent zu Konstellation 1 haben wir es hier also mit einer bloßen Agilisierung der Lehre zu tun, nur eben auf kollektiver Ebene. Die Konzepte dazu beruhen zurzeit fast ausschließlich auf dem Framework Scrum. Die Lehrperson wird zum „Product Owner“, die den Lernauftrag spezifiziert. Und die Lernenden bilden Lernteams, die mit agilen Arbeitsweisen wie Sprints, Dailys/Weeklys, Retrospektiven und Reviews selbstverantwortlich die vorgegebenen Lernziele erreichen sollen. Ein Scrumban Board mit allen Lernzielen und dem Projektfortschritt fördert dabei die Transparenz. Typische Konzepte sind EduScrum, Agiles Sprintlernen, Scrum4School.
- In Konstellation 4 ... lernt ein Team (oder die Organisation) in einem Kontext, in dem die Lernziele völlig offen sind (zum Beispiel „Wir wollen als Organisation nachhaltiger werden“). Hier geht es also einmal mehr um Agilität in einem engeren Sinne – nicht um die Agilisierung der Lernmethodik, sondern um die Agilisierung des kollektiven Lernens an sich. Den Mitarbeitenden wird lediglich ein Portfolio an Formaten zur Verfügung gestellt, aus dem sie schöpfen können, da Inhalte nicht bedient werden können.
Agiles Lernen steckt noch in den Kinderschuhen
Da agiles Lernen dieser Art allerdings noch in den Kinderschuhen steckt, existieren noch so gut wie keine Lernformate, die explizit dafür entwickelt wurden. Einige Lernformate wie Working Out Loud (WOL), Barcamps und LeanCoffees können zwar gut im Rahmen agilen Lernens genutzt werden, müssen jedoch in einen erweiterten (agilen) Prozess eingegliedert werden, um ihre Wirksamkeit zu entfalten. Zusätzlich können Formate aus dem Arbeitskontext wie Google Design Sprints, Design Thinking oder Lego Serious Play auf den Lernkontext übertragen werden.
Die Zukunft wird voraussichtlich auch neue Lernformate hervorbringen, die das agile Lernen gezielt in komplexen und chaotischen Situationen unterstützen. Diese zukünftigen Formate und Designs sollten neben dem Lernen in unbekannten Welten auch andere Anforderungen an agile Methoden erfüllen, so etwa die Fokussierung auf das Wesentliche, die Schaffung von Transparenz durch „Learn in Progress“, die schnelle Erzeugung von Vorzeigbarem in Form von Lerninkrementen nach einzelnen Lernschritten. Das alles führt dann idealerweise zu effizienterem Lernen und schnellen Zwischenergebnissen, die die „Time to Competence“ – also die Zeit zwischen Erkennen eines Lernbedarfes und der Nutzbarkeit der dazugehörigen Kompetenz – reduzieren.
Agiles Lernen setzt ein entsprechendes Mindset voraus
Agiles Lernen im beschriebenen umfassenderen Sinne ist als die Entwicklung eines zusätzlichen Lernparadigmas zu sehen, das das traditionelle Lernen mit all seinen (auch modernen, agilisierten!) Facetten ergänzt und insbesondere in komplexen und chaotischen Lernsituationen greift. Für die Akteure des Lernens ist es von entscheidender Bedeutung, erkennen zu können, in welcher Lernsituation sie sich befinden – um dann das geeignete Vorgehen gemeinsam zu gestalten.
Wichtig ist aber auch, dass agiles Lernen eine mit bestimmten Werten verbundene Haltung, neudeutsch: Mindset, voraussetzt. Eben: „Doing Agile“ auf der Basis von „Being Agile“. Es braucht die richtigen Wurzeln, damit agile Konzepte, Methoden und Tools greifen können. Zu diesen Wurzeln gehört zum Beispiel Mut, da agiles Lernen mit Experimentieren und Agieren in unbekannten Situationen zu tun hat. Dabei kann die Unternehmenskultur gute Rahmenbedingungen für Mut schaffen – oder eben nicht. Exemplarisch seien hier Stichwörter wie psychologische Sicherheit, Fehlerkultur und Freiräume genannt. Hinzu kommt, dass Menschen in ihrer Selbstwirksamkeitserwartung und im Glauben an ihre Entwicklungsfähigkeit gestärkt werden müssen und auch bestimmte Skills brauchen, um sich in der herausfordernden neuen Lernwelt bewegen zu können. Vor allem sind dies Lernkompetenzen, aber zum Beispiel auch Diskursfähigkeiten. Denn fachliche Diskurse, basierend auf respektvollem Umgang, sind die Basis schlechthin, um Komplexität begreifen und damit umgehen zu können. Deswegen ist auch Respekt eine wichtige Wurzel agilen Lernens. Gemeint ist der Respekt für die Erfahrungen und das Wissen anderer, braucht agiles Lernen doch alle Beteiligten als Teilgebende. Auch hier sind kulturelle Aspekte wie Hierarchiedenken, Streitkultur und Wertschätzung bedeutsam.
Wirksames Lernen hängt von vielen organisationalen Faktoren ab
Das wirksame agile Lernen hängt also konsequenterweise auch von den geschaffenen organisationalen Voraussetzungen dafür ab – kulturellen, organisatorischen, technologischen, kompetenzbezogenen. Manches davon kann durchaus auch auf klassischem Lernweg erreicht und erworben werden. Doch da agiles Lernen im engeren Sinn, also das inhalts- und ergebnisoffene Lernen in komplexen, chaotischen Situationen, seinerseits noch vollkommen neu und unbekannt ist, stehen wir vor einem Dilemma: Wir müssen es uns auch so erarbeiten – auf agilem Wege. Wir müssen agil lernen, agil zu lernen. Experimentell. Uns iterativ und reflexiv vorantastend. Diskursiv, im intensiven Austausch miteinander.
Kommentar schreiben